sterben im Netz
August 12, 2011 Von Christian Gera

Sterben im Netz Berufsfeld Digitaler Totengräber

Sterben im Netz Berufsfeld Digitaler Totengräber. Habt Ihr Euch das auch mal gefragt? Was passiert eigentlich, wenn ein Mensch stirbt? Das Profil von Facebook zum Beispiel lebt doch verschlossen hinter einem Kennwort leblos weiter. Gibt es dort keinen Totengräber? Jemand, der das was da so tragisches passiert ist, löschen kann? All die Erinnerungen – die Fotos? Ein gruseliges Kapitel, wenn man sich dies einmal anschaut – klickt man auf die Seite eines verstorbenen Freundes, erscheinen dort so makabere Pinnwandeinträge wie “ Lang nichts gehört“, “ Wie geht es Dir alter Wemser?“, „Hey und hallo – alles gute zum Geburtstag mein lieber, lass es krachen!!“.

Jene Einträge stammen von „Facebook-Freunden“- also jene „Freunde“, die man nur 1-2 Mal in diesem Leben trifft. Unsere virtuellen Freundesfreunde sind halt nicht immer up-to-date; warum sollte man es Ihnen verübeln – sie haben nie wirklich am Leben teilgehabt bzw. teilgenommen. Sie haben nur ein Bruchstück des Menschen erfahren, der Ihnen mal gegenüber saß, der Ihnen zuzwinkerte, der einen Small-Talk hielt – gleich geadded und archiviert.

Nichtige Social-Media-Konversation ist also beschränkt – macht keinen Halt vor Tod oder Verlust eines geliebten Menschen. Freunde sind echte Freunde, Facebookfreunde sind Facebookfreunde. Gleichsam kann man dies auf alle virtuellen Freundeslisten anderer Social Communities beziehen.

Doch allmählich wird nachgedacht – die Netzwerke haben aufgerüstet, denn : Jährlich sterben laut Statistiken 375.000 Facebook-User. Daraus geboren wurde nun folgendes :

Das neue Berufsfeld „Digitaler Totengräber“

Facebook wie auch Twitter oder Gmail bieten Hinterbliebenen Hilfe und Unterstützung, wie man Profile von Verstorben löschen kann. In den USA boomt sogar ein neues Berufsfeld, der Facebook-Totengräber, der http://www.deathswitch.com/; der „digitale Bestatter.“ Bei den VZ-Networks ist es so, dass man die Sterbeurkunde zuschicken kann, und danach dann in persönlicher Betreuung alles aus der Com gelöscht wird. Die Daten werden an die Hinterbliebenen übertragen auf Wunsch. Dies steht aber alles auch noch irgendwie am Anfang, weil dieses Thema in der Hintergrund geraten ist.

Fragt sich nur, wann es einen Social-Network-Benutzer-Friedhof gibt, auf dem die verstorbenen auch in der digitalen Welt ihre letzte Ruhe finden. Ich stelle mir das so vor, dass jährliche Todestage gefeiert werden können & jährlich dann Kuscheltiere, Herzchen und sonstige Andenken verteilt werden können. Makaber – aber auch der Tod muss in der digitalen Welt bedacht werden.

Warum ist dieses wichtige Kapitel „sterben im Netz“ denn überhaupt so in den Hintergrund geraten?

 
Die Antwort dazu ist klar und deutlich : Das Sterben im Netz ist eine der schauderhaftesten Angelegenheiten unserer Zeit, denn in unserer Welt und Gesellschaft ist alles auf Fortschritt sowie Innovation ausgerichtet . Es liegt genau deshalb in der Natur der Sache, dass sie das Sterben, das „Ver-blühen“ oft vergisst – gleichzusetzen mit einem Datenstrom, der urplötzlich abreißt, Blut, welches nicht mehr durch Adern pulsiert und somit die DSL – Leitung am Leben hält.
Unsere Welt kennt in erster Linie nur das Aufstreben, die Weiterentwicklung, immer neue Tools und Chats und Innovationen, die technisch alles leichter und einfacher machen – da Leben bereichern und lehren, Nichttigkeiten als existenzielles Gut zu betrachten. Also ist folglich ein kosmisches Gleichgewicht vom Leben und Sterben, wie es das irdische Dasein überall sonst beherrscht, hier und jetzt ganz eindeutig für unsere Gesellschaft in den Hintergrund getreten.

Sterben im Netz: Die Frage nach Vergänglichkeit in unserer Zukunft

Diese eine wichtige Frage , wie unsere moderne Welt mit der Vergänglichkeit des menschlichen Seins irgendwann umgehen wird bleibt bestehen.
Heute noch sind wir jung, aufstrebend, können die digitale Welt unseres Alltags noch beherrschen-sind lernfähig; im Gleichklang mit allen neuen Digitalen Errungenschaften die uns erfreuen, beleben und nach denen wir meist streben . Heute im hier und jetzt haben wir noch 400 Studi/Facebook- Freunde und checken täglich die aktuellsten Posts. Aber irgendwann – das ist gewiss- werden auch wir, die heutige Facebook-Generation, alt.

Mein ganz persönliches Fazit:

Das Sterben im Netz kommt auf uns Alle zu. Auch wir plagen uns vielleicht irgendwann mit gesundheitlichen Weh-Wehchen, immenser Vergesslichkeit oder fortschreitender Weitsichtigkeit. Sind wir auch dann noch von Social Media und Networking beherrscht?
Ich kann es mir nicht so wirklich vorstellen – irgendwann kehrt doch alles wieder ins reale Leben zurück – die Vorstellung eines Altenheims, dass sich über Facebook vernetzt und nicht mehr über Spaziergänge in der Parkanlage, ist und bleibt mir doch sehr befremdlich. Das, was unsere Opa´s und Oma´s heute nicht mehr verstehen oder begreifen wollen, wird irgendwann auch uns einholen. Und dann wäre es wirklich schön, wenn sich ein „Digitaler Totengräber“ darum bemühen würde, die letzten Erinnerungen aus dem Netz zu löschen – denn in den Herzen der Mitmenschen lebt die Erinnerung an UNS mit Sicherheit und wohl-behütet besser weiter….
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