Paperboy/Papergirl – aus dem Leben eines Zusteller

Mein Nebenjob als Zusteller. Eine legendäre Zeit. Daraus ist sogar mein kleiner Thriller “Der Zusteller” entstanden (erhältlich ist der Zusteller hier auf Amazon). Dies ist ein kleines Dankeschön für alle Abonnenten, die ich jede Nacht beliefere. Ich wünsche Ihnen und Ihren Familien hiermit/mit diesem Geschenk (einem kleinen Artikel über das Zusteller-Dasein) ein gesegnetes Weihnachtsfest & einen tollen, glücklichen, gesunden Start ins Jahr 2015:

Wie ein Wolf jagt er durch die Nacht- nahezu jede Nacht: 6 mal in der Woche. Sein alleiniges Ziel knapp > 300 Kunden zu beliefern; manchmal auch mehr. Jede Nacht läuft er ca 6km und bewältigt 300 Stufen. Im Jahr hochgerechnet ist das so, als wenn man den Mount Everest plus ganz viel Gepäck 2x besteigt – mit der Tageszeitung!

So oder sehr ähnlich sieht es bei deutschlandweit derzeit 160.000 Zustellern täglich/nächtlich aus. Dass diese besondere, doch so wichtige Berufsgruppe der Zeitungszusteller nicht mit dem Mindestlohn (ge-)segnet ist, lässt bei dieser schweren Arbeit gesellschaftlich tief blicken; ist hier aber nicht das Thema. Ich will Euch hiermit einen echten, realen Einblick in die harte Arbeit eines Zustellers geben, seid gespannt….

Bewegung ist das beste, was man sich antun kann – aber mitunter auch das härteste & nichts für Weicheier

Denn genau diese “Bewegung”/ das kostenlose Fitnesstudio erfordert Disziplin wie bei einem Spitzensportler (der man natürlich anfangs nicht ist): 6 Nächte in der Woche aufzustehen und von 2-6 Uhr morgens Zeitungen zu verteilen, packt nicht jeder. Ich bin nun nahezu ein ganzes Jahr dabei & habe einige aufgeben sehen. Hinzu kommt, dass viele sicherlich nicht körperlich geeignet sind für diesen “Nachtsport” oder das “im dunkeln sein”…

20140912_025314

Und nicht jeder ist ein Wolf oder eine Nachteule.

Auch deshalb werden in Deutschland wohl immer wieder hände-ringend zuverlässige Menschen als Zusteller gesucht; die Announcen sind voll davon. Wenn diese doch nur besser bezahlt würden, wäre der Zulauf und die Akzeptanz des ganzen sicherlich größer. Aber der Mindestlohn/der Stücklohn und die ganze Diskussion darum, ist jetzt nicht die Baustelle dieses Artikels.

Bewaffnet geht es in die Nacht – wird man zum Held der Nacht?

Ob bewaffnet mit einem regenabweisenden Zeitungskarren, mit der Taschenlampe, ob freihändig (ich bekomme mittlerweile fast 100 Zeitungen gleichzeitig in meine Arme mit einer gewissen Trage-Technik) – das verteilen tüftelt jeder für sich selbst aus. Bis die Zeit stimmt. Bis man stolz ist auf sein geleistetes. Und das hat Gewicht: Die Zeitungen können mal dicker und mal dünner ausfallen. Sind sie dicker, braucht man länger und man absolviert mehr und anstrengendere Laufwege. Ich sage nur Treppenstufen. Liebe Kunden, die Ihr Euch über die dicken, vollgepackten Zeitung mitsamt allerlei Werbung – gerade jetzt zur Weihnachtszeit- er-freuet: Denkt immer daran, wer Euch diese brachte mit purer Muskelkraft und ganz viel Aufwand 😉

Wie sieht denn so ein Tag nun aus im Leben eines Zustellers?

1:30 Aufstehzeit. Der Wecker klingelt. Besser 2. Wenn man als Zusteller mal verschläft, gerät man in Zeitnot. Und Zeitnot ist das schlimmste, was man sich in dieser Branche antun kann. Die Kunden sind uneinsichtig, nicht kompromissbereit-  sie warten…und sie lieben Ihre Tageszeitung. Was ich voll und ganz verstehe! Die gehört schließlich wie das Frühstücksbrötchen und der Aufstrich zu jedem Must-Have am Küchentisch oder zu einem gelungenen Start in den Arbeits/Alltag dazu. Das muss man erstmal verinnerlichen, wenn man Zeitungen austrägt.

Das ist keine 0815 Geschichte- das ist die Kunst, den Menschen dort draußen Informationen und lesbares zu liefern (okay es kommt ganz auf die Zeitungen an; ich für meinen Teil teile mehrere Zeitungsarten aus). Man bringt den Menschen gewissermaßen ein Kulturgut- die gute alte/neue Zeitung ins Haus.

Das “letzte” Glied der Kette – der Zusteller- wird somit zur Nummer 1.

So einem Zusteller gebührt eine Menge Verantwortung. Nicht nur den wartenenden Kunden gegenüber (viele wollen diese um 4:30 schon oder zu anderen fast schon “un-christlichen” Zeiten), sondern auch den Machern der jeweiligen Zeitung, den fleissigen Journalisten, den Redakteuren, den Koordinatoren der jeweiligen Zustellgebiete (auch ein Knochenjob sage ich Euch & wehe dem, wenn mal ein paar Zusteller ausfallen & nicht genug Zusteller-Nachschub/Aushilfen da sind ;-). Da teilt der Koordinator bisweilen schon einmal selbst mit aus.

Am Zielort/der Abholstelle gegen 2:00 Uhr angekommen (ich bin nahezu immer der erste an der Abholstelle), lädt man die 300 Zeitungen in seinen PKW ein/aufs Fahrrad etc. und fährt ins jeweilige Gebiet…

20140913_022231

Hierbei ist zu sagen, dass auch das nicht jeden Tag gleich ist: Es gibt täglich neue Listen, die man beachten muss. Viele Menschen sind im Urlaub und haben die Zeitung in dieser Zeit abbestellt, andere kommen zurück, wieder neue Kunden haben Testabos die 2 Wochen oder länger laufen. Dann ist mal Vertretung für die ausgefallenen Träger angesagt. Jenes kann echt kurzfristig geschehen. Ganz nach dem Motto “Allrounder zum ausmisten gesucht.”

Man muss sich einarbeiten, nachts auf den unterschiedlichsten Straßen, Wegen und sich trotz unterschiedlich-harter Begebenheiten orientieren/organisieren können. Das Wetter kann hier Glückseligkeit oder zusätzlichen Stress hervorrufen.

“Ich trage jedenfalls am liebsten unter einem klaren Sternenhimmel aus- da kann man in der Stille der Nacht so schön über alles nachdenken & über sein Leben sinieren. Ja auch in der Nacht steckt eine gewaltige Poesie und Schönheit sage ich Euch.”

 

All das verlangt also zusammengefasst einem eine ordentliche Kopf- und Gedächtnisleistung – und das in den frühen, dunklen Morgenstunden- ab. Zusteller sind nicht “doof”!

Wer nämlich allzu vorschnell urteilt, dass das Zusteller-Dasein nur “für dumme”, “ungelernte Kräfte” sei und zu “stupide” für Sie/Ihn ist, wird durch diese Fakten eines besseren belehrt. Hey ich beispielsweise habe Abitur, ein abgeschlossenes Universitäts-Diplom & eine eigene Firma (diese hier) zusätzlich am laufen.  Vorurteile – bitte geht mir weg damit! Es gibt verdammt gute & helle Köpfe im Zustellerbereich, die das ganze gerne als Sport machen/zur Rentenaufbesserung etc.- oder die einfach nur gehörig unter-schätzt werden…

Und dann wäre da noch das immerwährende Spiel und der “Kampf mit der Zeit”: Die wartende Kundschaft erwartet IHRE Zeitung bis spätestens 6 Uhr im Briefkasten.

Jenes im übrigen wieder mit Sonderwünschen (ebenfalls auf “der täglichen Liste”) markiert: Die einen wollen Ihre Tageszeitung gefalten, andere gerollt, wieder andere ganz rein in den Briefkasten oder halb raus. Hausnummern in Neu-Gebieten zu suchen erweisst sich ebenso als prickelndes Abenteuer. Denkt nur mal nach, wie lange man bereits im hellen in neuen Ortschaften sucht. Oder keine Hausnummern findet. Ein Zusteller muss auch das weitestgehend mit sich selbst ausmachen- und das in der Dunkelheit. Es herrschen erhöhte Schwierigkeitsgrade dort draußen für uns Zusteller- soviel ist klar.

Wind und Wetterfest muss man sein

Wer Angst vor Regen, Kälte, Nässe, Schnee, Sturm oder sonstigen Witterungsbedingungen hat – ist fehl am Platz. Richtige Kleidung wie Funktionsunterwäsche sage ich Euch – ist das A und O. Auch erhitzt sich so ein Körper im Eifer des Austrage-Gefechts. Wichtig ist es deshalb immer funktionelle und atmungsaktive/sowie regenabweisende Kleidung zu tragen. Auch das Schuhwerk ist wichtig- wenn Euch Eure Füße einholen, was sie tun, wenn Ihr richtig verteilt und Tempo macht- habt Ihr das richtige Schuhwerk.

Helge Schneider hat das mit dem Wetter übrigens einmal hervorragend parodiert zu früheren Zeiten in einem YouTube Video.

Die Zeitungen so nass dahinklatschen können wir echten Zusteller natürlich nicht. Der Helge darf das 🙂 Zum brüllen komisch und der realen Wettersituation dort draußen manchmal tatsächlich angemessen dargestellt :-).

Zeitungszusteller und der Schlafmangel

Auch so ein Thema. Schlaf wird unterschätzt. Er ist sowas von wichtig für unser allgemeines Wohlbefinden. Als Zusteller muss man seinen bisherigen Tagesablauf komplett umstrukturieren. Das heisst kurzum: Mal früher ins Bett als andere, mal ein wohliges Mittagsschläfchen tätigen und das Handy einfach mal ausmachen, um tagsüber wirklich Ruhe zu finden.

Gönnt man sich diese Ruhe und vor allem den ausreichenden Schlaf nicht, merkt man das an seiner Power beim verteilen: Die geht dann nämlich gegen 0 und man wünschte sich, man wäre im Bett geblieben. Das Austragen wird dann zur Qual. Das Zusteller-Dasein ist überdies eine immer-währende, positive Eigen- Motivation tagtäglich aufs neue.

Die natürlichen Feinde und Freunde der Nacht: Von Hunden, Katzen, Eichhörchen und Spinnenfallen für Menschen

Auch diese gibt es, denn nachts sieht die Welt anders aus. Man hört die Menschen schnarchen, ist empfindlicher für Geräusche in der Dunkelheit.

Eichhörnchen oder Nacktschnecken (manchmal eine echte Plage; wo kommen bloss all diese Schnecken her?) werden genau wie Katzen die besten Weggefährten, mit denen man auch gerne mal spricht.

“Man ist allein auf der Straße. Das macht auf der einen Seite einen gewissen Reiz aus – denn man kann sich in bestimmten Momenten sehr frei fühlen, genauso wie auch sehr einsam. Manchmal ertappt man sich bei dem Gedanken, wie wohl die Menschen, an die man die Zeitungen austeilt aussehen mögen.”

Sicher- man kennt die Namen, die Häuser, man macht sich seinen Reim darauf- aber viele (wenn Sie nicht des Nachts mal spät nach Hause kommen oder sich um 3:30 vor der Haustür eine Zigarette anzünden/ oder ebenso früh zu Ihrer Arbeitsschicht müssen) bekommt man als Zusteller nie zu Gesicht.

Mir ist sogar schonmal der Herr Fuchs begegnet, unzählige Igel, Hunde und Katzen die Leckerchen wollten. Und hiermit mal ein Aufruf an alle Erfinder dort draußen: Erfindet doch bitte mal ein Frühwarnsystem/ einen ständigen Gesichtswischer für all die gelungenen und ge-sponnenen Spinnen-Netze dort draußen. Ich denke mit einer solchen Erfindung kann man steinreich werden – belieferte/stattete man den Zusteller-Bereich damit aus.

Große Kreuzspinnen-Netze können übrigens zu echten Menschenfallen werden. Zum Glück habe ich sie dank Taschenlampe bisher immer gut und dankbar umschifft.

Was ich mit diesem Artikel hier erreichen will? Eine Akzeptanz für diesen & andere, sehr wichtige, unterbezahlte Jobs schaffen. Aufzeigen, dass sie sehr wichtig sind- wie in anderen Berufsgruppen auch. Man nimmt vieles als so selbstverständlich und automatisiert hin – was es aber nicht ist. Es steckt eine Menge Elan, Fleiß, Mühe und Aufwand/Koordination dahinter. Und natürlich will ich auch hiermit meine ganz persönlichen Weihnachtsgrüße an SIE loswerden!

Richtig gerührt war ich übrigens die letzten Tage von jenen kleinen Aufmerksamkeiten hier- da geht einem als “kleiner unbedeutender” Zusteller zuweilen schonmal das Herz auf. DANKE- ich habe mich riesig darüber gefreut:

20141217_033330

20141220_040705

Fazit: Blickt man einmal hinter die Fassade wie jetzt und interessiert man sich, auch einmal über den eigenen Tellerrand hinaus-zu-schauen, wird man den Teufel tun einen Zusteller/eine Zustellerin verbal anzugreifen – sollte eine Zeitung mal “ein paar Minuten” später ankommen. Es wurden schließlich zuvor schon 299 andere verteilt.

Vielen Dank für Ihre/Eure Aufmerksamkeit, einen Gruß an alle Kollegen/die Wölfe dort draußen. Die Nacht gehört uns. Wolfsgeheul und (r)aus. Frohe Weihnachten Ihnen allen! & Ich werde weiter mein bestes für SIE geben! Vergessen SIE den Zusteller nicht! 🙂

Ihnen gefällt meine Arbeit/dieser Artikel? Dann kann hier auch gerne mit einer Spende DANKE gesagt werden!

Facebook
Twitter
Email
Print

6 thoughts on “Paperboy/Papergirl – aus dem Leben eines Zusteller”

  1. Danke für den Bericht. Er zeigt mal was so alles beim austragen vorkommen kann, wobei ich sagen muss, das mit der Zeit und der Menge ist unterschiedlich. Je nachdem wieviele und welche bezirke man hat. Das Wetter kann abhärten, man verkriecht sich nicht mehr im trockenen wenn man malbei was anderem nicht zwingend raus muss. Es kann amüsant sein, wenn man mal jemanden begegnet, da um die uhrzeit so mancher betrunken oder noch vom Schlaf verwirrt ist. Je nachdem wieviel man hat ob mit oder ohne Werbung, kanns zwar dauern, aber es kann auch schön sein.den Sonnenaufgang ansehen, den Sternenhimmel und viel mehr, man tut was für die Fitness und diejenigen wo es schätzen revanchieren sich au h mal mit kleinen Geschenken. Es kann schwer sein, aber auch sehr schön.

  2. Lieber Christian, danke für Deinen Bericht zum frühmorgendlichen Zeitungsbotendasein! Habe es bereits zehn Jahre neben meinem Job als EDV-Berater bei uns in http://www.werthhoven.de gemacht. Damals kam die Bonner Rundschau aus Köln häufiger zu spät, heute ist es mindextens einmal pro Monat der Bonner General-Anzeiger. Nichts ist so ätzend, als wenn man zu nachtschlafender Zeit etliche Minuten oder gar Stunden warten soll – oder lieber ins wohlwarme Bett kriecht und sich (natürlich nur wenns über eine Stunde dauert) mi t angekratztem.Gewissen entschuldigt. Daher mache ich lieber nur Vertretungen in bekannten Bezirken. Abgesehen vom miesen Kilometergeld von 23 cent, das Stammboten noch nicht mal für die Anfahrt bekommen. Das Finanzamt akzeptiert seit Jahren 30 cent, per ADAC sind es je nach PKW 45 bis 80 cent/km für alle Kosten. Abgesehen daß Beschädigungen am eigenen Fahrzeug (und mögl. Unfallbeteiligten) nie versichert sind und schnell teuer ausfallen. Diese harten Erhöhungen (Pfosten, kleine Mauern und größere Steine) sind selten an- oder ausgeleuchtet und ergeben dickste Beulen. Und auch bei den Fusswegen sind oft die Hauswege und Einfahrten verdammt uneben und mit Stolperfallen und unregelmäßigen Stufen ausgestattet. Eine bei Betreten beleuchtete Treppe hat regelmäßige Stufen, wenn man quasi nächtens einen Boten erwartet. Könnte noch so manches – auch Unfälle – zum ‘Besten’ geben… Wahrscheinlich sind wir als Boten eine billige aussterbende Spezies, es sind mehrer Prozent Dauerabonnenten weggefallen, da werden wir lange auf 8,50€ warten können, natürlich ohne Zuschlägewie Kilometergeld und Nachtzulage. -Abgesehen davon, daß immer noch Frauen angegriffen werden und wie letztes Jahr ums Leben kommen können. Aber der Niedergang von echtem Service (Dienstleistungen) ist ja überall zu xpüren. So habe ich selbst bei der POST -damals mußte sie sich nicht Deutsche Post nennen, es gabnur eine pro Land – in den 70ern als Eilbote gearbeitet. In Sankt Augustin gab es ca. zwölf Briefkasten, die ich nach vier Uhr frühmorgens leerte – mit dem Schlüssel, mit dem man dies für jeden lesbar anzeigte – UND die am gleichen Tag für den Ort und benachbarte Orte zugestellt wurden! Das war eine schnelle gute Leistung, die ich sehr gerne machte. – Vorbei sind die Zeiten, und auch dort ist die Bezahlung mies und die Zustellbezirke größer geworden, leider!! Da williçh gar nicht an Zumwinkel und solche Profitgeier, getarnt als Manager, denken, pfui deufel!! Aber es gibt auch Leser, die danken es einem und sorgen für einen sicheren Weg zur großen Zeitungsbox oder nicht zu kantigen Briefkasten. Wir danken Ihnen sehr!

  3. Gelungener Artikel- das schafft wirklich einen guten Einblick. Danke für Ihre tolle Arbeit und lieben Gruß aus Bergen, frohe Weihnachten!

Leave a Comment

Your email address will not be published. Required fields are marked *

Scroll to Top